Großes Potenzial von LNG im Straßengüterverkehr

Im Jahr 2016 erreichte die weltweite Nachfrage nach LNG (Liquefied Natural Gas) 265 Millionen Tonnen. Diese Menge reicht aus, um rund 500 Millionen Wohnungen mit Energie zu versorgen.

Dr. Jörg Adolf, Chefvolkswirt bei Shell, über die Energie der Zukunft und das Dilemma der Reduzierung des Energiebedarfs bei Nutzfahrzeugen bei wachsenden Fahrleistungen.
Dr. Jörg Adolf, Chefvolkswirt bei Shell, über die Energie der Zukunft und das Dilemma der Reduzierung des Energiebedarfs bei Nutzfahrzeugen bei wachsenden Fahrleistungen.
Redaktion (allg.)

Im Jahr 2016 erreichte die weltweite Nachfrage nach LNG (Liquefied Natural Gas) 265 Millionen Tonnen. Diese Menge reicht aus, um rund 500 Millionen Wohnungen mit Energie zu versorgen. Von vielen Experten wurde erwartet, dass der starke Zuwachs beim LNG-Angebot die zusätzliche Nachfrage in 2016 übersteigen würde. Stattdessen haben sich beide die Waage gehalten. Die stärkere Nachfrage in Asien und im Mittleren Osten hat das erhöhte Angebot aus Australien absorbiert, so Shell in der ersten veröffentlichten „LNG-Prognose“.

China und Indien – die auch zukünftig als wesentliche Treiber hinter dem Nachfragewachstum stehen dürften – waren die beiden Käufer mit dem höchsten Wachstum.  Shell glaubt, dass zusätzliche Investitionsentscheidungen erforderlich sind, um der wachsenden Nachfrage gerecht werden zu können, die nach 2020 insbesondere aus Asien kommen wird. So hat die chinesische Regierung vorgegeben, dass Erdgas bis 2030 einen Anteil von 15 Prozent im heimischen Energiemix haben soll. 2015 waren es noch fünf Prozent.

Im Interview: Dr. Jörg Adolf, Chefvolkswirt bei Shell, über die Energie der Zukunft und das Dilemma der Reduzierung des Energiebedarfs bei Nutzfahrzeugen bei wachsenden Fahrleistungen.

Unterwegs: Erderwärmung, unsichere Förder- und Transitländer und zu Hause schlechtes Image – das Ölzeitalter scheint zu Ende zu gehen. Täuscht der Eindruck?

Dr. Jörg Adolf: Tatsache ist, dass die Weltbevölkerung weiter wachsen wird und damit auch die Nachfrage nach Energie. Gleichzeitig stehen wir zum Klimaschutzabkommen von Paris und dem Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Das bedeutet, wir müssen die Energiesysteme so umbauen, dass weniger Emissionen ausgestoßen werden. Aber auch im Jahr 2040 werden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren noch eine wichtige Rolle spielen, vor allem im Straßengüterverkehr und bei Langstrecken. Eine kurzfristige Abkehr von fossilen Kraftstoffen und damit die Absicht, keine Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen, ist aus unserer heutigen Sicht nicht umsetzbar.

Wie reagiert Shell darauf?

Wir wollen eine aktive Rolle dabei spielen, die Energiesysteme weltweit so zu gestalten, dass es weniger Emissionen gibt. Daher haben wir 2016 einen neuen Geschäftsbereich „New Energies“ gegründet, der sich unter anderem mit der Entwicklung und Einführung alternativer Energien im Transportsektor beschäftigt. Schon heute bieten wir an unseren Tankstellen neben Diesel und Super auch LPG und CNG an.

Dieselkrise und drohende Fahrverbote in Citys: Welche Konsequenzen sehen Sie aus der Shell-Warte?

Tatsächlich entwickelt sich der Dieselabsatz sehr dynamisch: Im vergangenen Jahr haben wir erstmals mehr Diesel- als Ottokraftstoff verkauft. Dieser Trend setzt sich im laufenden Jahr fort. Mittelfristig erwarten wir einen stabilen Dieselabsatz. Grund hierfür ist vor allem die Entwicklung im Nutzfahrzeugsektor. Der Boom des Güterverkehrs in Deutschland geht weiter. Der Nutzfahrzeugbestand wird voraussichtlich mittelfristig um mehr als 20 Prozent auf 3,5 Millionen Fahrzeuge wachsen.

Sehen wir künftig Elektro-Ladesäulen von Shell? Oder wird Shell gar Batteriehersteller?

Durch unsere Kooperation mit NewMotion bieten wir ein europaweites Ladenetz an, das auch in Zukunft stetig weiter ausgebaut wird. Zudem werden wir an ausgewählten Standorten Schnellladesäulen in Großbritannien und den Niederlanden errichten und von den Erfahrungen, die wir dort sammeln, für andere Länder lernen. Als Geschäftsmodell sind Ladestationen an den Tankstellen in Deutschland für uns erst dann denkbar, wenn die Zeit zum Stromladen auf wenige Minuten deutlich verkürzt und die Nachhaltigkeit eines E-Antriebs erwiesen ist.

Einige Lkw-Hersteller engagieren sich in LNG. Aber die Kosten für die Infrastruktur sind ebenfalls enorm. Wie kann Shell helfen?

Bisher haben wir im Markt Erdgaskraftstoffe nur als komprimiertes Erdgas gesehen. Das wird sich ändern. In Zukunft sehen wir großes Potenzial von LNG für den Straßengüterverkehr. Tatsächlich sind die Kosten von LNG-Tankstellen höher als jene für konventionelle Zapfanlagen. Allerdings brauchen wir auch nicht so viele Tankstellen.

Ein Blick in die Zukunft: Wie tanken wir in zehn Jahren Energie für leichte Nutzfahrzeuge und Lkw?

Im Lkw-Bestand des Trendszenarios bleiben alternative Antriebe eher die Ausnahme – mit nennenswerten Anteilen lediglich bei leichten Nutzfahrzeugen (17 Prozent) und Bussen (9 Prozent). Neue Antriebe setzen sich demnach im Fahrzeugbestand nur mit Zeitverzögerung durch. Aufgrund der hohen Umschlaggeschwindigkeit modernisiert sich der Bestand von Fernverkehrs-Lkw und Fernbussen am schnellsten: Wegen ihres hohen Durchschnittsalters verändert sich der Bestand an Nahverkehrs- und Verteiler-Lkw, sowie zu großen Teilen der leichten Nutzfahrzeuge, am langsamsten.

Fotos: Shell

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